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Eigenes Projekt: die Bildserie «Mittelland Wunderland»

Seit einigen Jahren beschäftige ich mich fotografisch und inhaltlich mit dem Schweizer Mittelland. Auf unkonventionellen Spaziergängen dokumentiere ich, wie wir in der vermeintlich – ach so perfekten – Schweiz zusammenleben.
Projektinhalt

Wie in einer grossen WG prägt Zusammenleben das Schweizer Mittelland. Wohnen, Verkehr, Industrie und Kulturland wechseln sich ab. Kein Flecken ist unberüht, Böden sind versiegelt und Wiesen bewirtschaftet. An Orten, an denen Grenzen aufeinandertreffen, und «kleinstädtische» individualistische Träume entstehen, zeigt das Mittelland sein Gesicht. Es bildet den am dichtesten besiedelten Landschaftraum der Schweiz, der Teil des am stärksten bewohnten Grossraum Europas ist. Das Mittelland ist seit mehreren Jahren das Spielfeld meiner künstlerischen Auseinandersetzung mit Architektur, Raumplanung und Gesellschaftsentwicklung. Auf Spaziergängen entlang von Industriestrassen, unter Autobahnkreuzen, in neuen und alten Wohnquartieren, an Stadträndern, oder entlang einer Bahnstrecke, mache ich Momentaufnahmen unserer Spuren in dieser Welt. Ich halte manchmal statisches fest, manchmal bewegtes und hin und wieder lebendiges. Mich interessieren unsere Bauten, unsere individuellen Vorlieben, und was an Orten entsteht, an denen sich vermeintlich niemand um das Aussehen kümmert. Abseits unserer – ach so geliebten – Altstädten und modernen Design-Wohnquartieren.

Anfänge meiner Arbeit

In meiner Abschlussarbeit im gestalterischen Vorkurs beschäftigte ich mich mit dem Gegenteil von kitschigen Sonnenuntergängen, Aussichten auf Täler und Berge oder glänzend polierten Fassaden. Ich fotografierte «Hinterorte», funktionale Orte, Fabrikgelände und andere «unschöne» Ecken und Plätze. Es gefiel mir, dass andere Menschen von mir erwarteten, dass ich «Schönes» fotografiere und ich dann mit Beton, Kabelrollen oder Abfall daherkam. 2017 konnte ich ein Grafik-Praktikum bei Bivgrafik in Zürich machen. Das Büro gestaltet vorwiegend Signaletik mit einem hohen Design-Anspruch. Im Büro lernte ich viel über Materialien, Formen, Räume und was gute Architektur ausmacht. Ich dokumentierte einige Projekte fotografisch, wobei ich mich in der Architekturfotografie stetig verbessern konnte. In meiner darauffolgenden Selbständigkeit fotografierte ich vermehrt Gebäude für Architekturbüros, Gebäudebesitzer*innen oder den Denkmalschutz.

Abschlussprojekt in der Grafiklehre

Durch den Einfluss verschiedener Fotograf*innen und Gestaltenden in meinem Praktikum wollte ich mich in der interdisziplinären Abschlussarbeit der Grafiklehre mit Architektur und Landkarten beschäftigen. Es entstand ein unhandlich grosses Buch mit dem Namen «Aargau im Quadrat». Darin stellte ich «Was wäre, wenn…»-Fragen mit Bezug zum Kanton Aargau. Ich entwickelte Gedankenexperimente, wie zum Beispiel: Was wäre, wenn der Klingnauer Stausee viel grösser wäre, oder was wäre, wenn Aarau heute noch die Schweizer Hauptstadt wäre. Die Ergebnisse stellte ich kartografisch dar. Für einen Teil des Buches entstand die Fotoreihe «Mein Aargau», weil ich in Erlinsbach im Kanton Aargau aufgewachsen bin. Diese Bildreihe ist die Vorlage für meine eigene fotografische Arbeit heute.

Aktuelle Arbeit

Seit 2023 arbeite ich wieder in einem Grafikbüro und fotografiere weniger kommerziell. Ich suche überall um meine Wohnorte und in Ferien, Orte, die dem entsprechen, was ich spannend finde. Un-Orte und rein funktionale Orte gibt es auf der ganzen Welt, aber mir hat es vor allem die Schweiz angetan – genauer die Deutschschweiz –, weil hier krampfhaft einem Perfektionismus nachgegangen werden möchte, der an gewissen Stellen einfach nicht erreicht wird, und an anderen Stellen für skurriles Aufeinandertreffen von Stilen und Vorlieben sorgt. Das «Schweizerische» stösst oft auf andere Kulturen und Industrie, oder wird eingenommen von stetig wachsender Infrastruktur. Doch der perfekt gemähte Rasen vor dem Einfamilienhaus mit einer im Wind wehenden Schweizer Flagge hält sich wacker und lässt Menschen in einer schnellen und wirtschaftlich orientierten, immer teureren Schweiz von einem ruhigen, privaten Leben in einem Einfamilienhausquartier träumen. Eine Weile lang habe ich mich mit den Auswirkungen des dichten und umkämpften Schweizer Alpentourismus beschäftigt. In der Reihe «Berge bauen» entstanden Bilder, die sich vom Stil her an den Mittelland-Bildern orientieren, sich jedoch mehrheitlich mit Massentourismus, Klima- und Naturschutz beschäftigten.

Ausblick

In Zukunft möchte ich mich vorwiegend auf die Bildreihe «Mittelland Wunderland» konzentrieren für die ich nun schon seit sechs Jahren fotografiere. Ich merke immer wieder, dass die Bilder ein gewisses Unbehagen und gleichzeitig eine Freude in den Betrachtenden auslöst und ich möchte das typisch Schweizerische als Traum infrage stellen.

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